Schimmelpilze im Fahrerhaus

Schimmelpilze im Fahrerhaus und im Müllfahrzeug messen

1. Problem Schimmelpilze im Fahrerhaus

Einleitung

Schimmelpilze im Fahrerhaus bei der Abfallsammlung sind ein wenig beachtetes Problem im Arbeitsschutz. Bei der Abfallsammlung gibt es erhebliche Mikroorganismen-Emissionen an der Tonnenschüttung zu verzeichnen. Die Schimmelpilze stammen vaus dem Inputmaterial. In der Arbeitsplatzatmosphäre in den Betrieben kann man beim Schimmeltest meist hohe Schimmelpilzbelastungen messen. Dauerhaft und deutlich überhöhte Schimmelpilzbelastungen an ständigen Arbeitsplätzen sollten mit dem heutigen Stand der Technik zwar vermmeidbar sein. Ständige Arbeitsplätze sind z.B. Fahrerhäuser von Maschinen oder Arbeitskabinen wie Schaltwarten oder Sortierkabinen. Aber nur, wenn die technischen Schutzmaßnahmen immer vorgabengemäß gewartet und instandgehalten werden. Müllwerker bei der Abfallsammlung scheinen aber heute noch regelmäßig erheblich mit Schimmelpilzen in der Arbeitsplatzatmosphäre belastet zu werden. Sichere und praktikable Schutzmaßnahmen gegen Schimmelpilze für Müllwerker bei der Abfallsammlung gibt es derzeit nicht. Probleme in Sachen Hygiene im Fahrerhaus von Müllsammelfahrzeugen sind beim Schimmeltest auch heute noch regelmäßig festzustellen. Hier misst man immer wieder teils hohe Belastungen durch Schmmelpilze.

Schimmelpilze im Fahrerhaus dominieren bei der Müllammlung

Schimmelpilze dominieren deutlich in dem Bioaerosol, das sich bei der Abfallsammlung bildet. Die Bakterien-Konzentrationen liegen i.d.R. ein bis zwei Größenordnungen unter den Messwerten bei den Schimmelpilzen. Die Dominanz der Schimmelpilzeerklärt sich u.a. damit, dass diese Mikroorganismen besser an Substrate mit relativ geringer Feuchte angepasst sind. Schimmelpilze gehen auch wesentlich leichter in die Luft über als Bakterien und Bakterien benötigen für ihre Vermehrung mehr Feuchtigkeit und wachsen vorzugsweise substratgebunden.

Schimmelpilze im Fahrerhaus bei der Müllsammlung Ende der 90er

Eigene Schimmelpilzmessungen im Fahrerhaus

Das Labor für Arbeits- und Umwelthygiene hat bereits Ende der 90er Jahre im Auftrag des Landesarbeitsgerichts die Abfallsammlung eingehend geprüft. Müllwerker eines Landkreises in Norddeutschland wurden 1 Jahr auf Schimmelpilze und Staub während der Abfallsammlung beprobt (1). Am häufigsten hat man am Kipper Schichtmittelwerte zwischen 104 und 105 Koloniebildenden Einheiten (KBE) /m3 im Winter und zwischen 105 und 106 KBE/m3 in wärmeren Zeiten gemessen. Obwohl man die Arbeit im Freien verreichtet, baut sich bei der Müllsammlung eine annähernd permanent bestehende Schimmelpilzbelastung am Müllfahrzeug auf. Spitzenbelastungen am Kipper erreichten nicht selten 107 KBE/m3!

Die an den Schüttungen des Abfallsammelfahrzeugs freigesetzten Schimmelpilze konzentrieren sich bei eher kurzen Fahrwegen zwischen einzelnen Behälterstandorten zu stabilen Staubwolken auf. Die Staubwolke legt sich über das Müllsammelfahrzeug und kann relativ stabil sein. Das konnte man eindeutig zeigen. In der Folge sind auch relevante Schimmelpilz-Immissionen in das Fahrerhaus möglich. In der betreffenden Studie wurden im Fahrerhaus Schimmelpilz-Belastungen von 104 bis 105 KBE/m3 mit Maximalwerten bis 3 x 105 KBE/m3 gemessen. Von einer schnellen Verdünnung belasteter Luft mit frischer Außenluft wie z.B. auf winddurchströmten Kompostierplätzen kann man bei der Abfallsammlung seither nicht mehr ausgehen.

Weitere Untersuchungen des Labors für Arbeits- und Umwelthygiene 2002 und 2005 bestätigten, dass die Müllsammlung hoch mit Schimmelpilzen belastet ist. Und dass es im Laufe der Abfallsammlung immer wieder zu bedeutenden Schimmelpilz-Immissionen das Fahrerhaus der Müllsammelfahrzeuge kommen kann. Im Fahrerhaus von zwei Müllsammelfahrzeugen verschiedener Typen waren Schimmelpilze in Konzentrationen von 3,2 x 104 und 7,1 x 104 KBE/m3 vorhanden.

Schimmelpilzmessungen anderer Institute

Eine Arbeitsgruppe um Neumann hat Ende der 90er Jahre Schimmelpilzbelastungen im Fahrerhaus von Müllsammelfahrzeugen bis zu 4 x 104 KBE/m3 gemessen. Martens und Mitarbeiter publizierten im 1999 Schimmelpilze im Fahrerhaus von Müllsammelfahrzeugen zwischen 104 und 106 KBE/m3.

Literatur zu diesem Kapitel

(1) Missel, T. (2000). Keim- und Staubbelastung von Müllwerkern bei der Abfallsammlung. Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft 60, Springer – VDI Verlag 4/2000: S. 150-157 https://www.schimmelpilz-messungen.de/veroeffentlichungen/

Neuere Schimmelpilzmessungen bei der Abfallsammlung

Dem Unterzeichner bekannte systematische Studien zur Feststellung der Schimmelpilze am Müllwerker bei der Abfallsammlung aus jüngerer Zeit konzentrierten in sich auf die Erfassung der Emissionen direkt an der Schüttung von Müllfahrzeugen. Oder auf die Bestimmung der personenbezogenen Exposition von Müllwerkern während der Tonnenentleerung in das Sammelfahrzeug hinein. Entsprechend umfassendes Messdatenmaterial über die Schimmelpilzbelastung im Fahrerhaus modernerer Abfallsammelfahrzeuge gibt es bis heute nicht.

Man könnte heute eigentlich erwarten, dass Luftfilter von Fahrzeugbelüftungsanlagen Schimmelpilzsporen effektiv zurückhalten. Bei neueren Arbeitsplatzüberprüfungen des Labors Dr. Missel für Abfallwirtschaftsbetriebe im Fahrerhaus von Müllsammelfahrzeugen ließen sich beim Schimmeltest auch bei konsequent geschlossenen Fahrerkabinenfenstern erhebliche Schimmelpilz-Belastungen von 104 bis 105 KBE/m3 messen. Gegen Bioaerosol-Immissionen im sehr hoch belasteten Fahrzeugumfeld, wie z.B. in der Anlieferung der Müllbehandlungsanlage oder bei hoher Tonnenentleerungsfrequenz / TEF bei gleichzeitig kurzen Fahrwegen, scheinen Führerhausabdichtungen und / oder die Belüftungen von Müllsammelfahrzeugen offenbar keinen sicher wirksamen Schutz aufbieten zu können.

2. Ergebnisse jüngster Messungen im Fahrerhaus

Vorfeldliche orientierende Messung im Fahrerhaus

Ein orientierender Schimmeltest in einem Seitenlader-Abfallsammelfahrzeug erfolgte im September 2020. In dem Fahrerhaus gab es dabei eine durchschnittliche Schimmelpilzbelastung von 7,6 x 104 KBE/m3 als Messergebnis . Die genaue Anzahl der seinerzeit in dem 3,5-stündigen Arbeitszeitfenster geleerten Abfallbehälter ist zwar nicht bekannt. Die Tonnenentleerungsfrequenz in der städtischen Sammeltour dürfte aber höher als etwa 1-2 geleerte Behälter/ Minute ausgefallen sein. Der Technische Kontrollwert der TRBA 214 (TKW), der die Schimmelpilz-Konzentrationen an Arbeitsplätzen in der Abfallwirtschaft auf 5,0 x 104 KBE/m3 begrenzt, war damit nicht eingehalten worden.

Die genauen Ursachen der Schimmelpilz-Emissionen und / oder -Immissionen ließen sich anhand eines einzelnen arbeitszeitintegrierenden Messwerts nicht ermitteln. Überdies gab es Unsicherheiten hinsichtlich der Höhe der Maximalbelastungen am Fahrerarbeitsplatz. Von dem Abfallwirtschaftsbetrieb wurde deshalb eine Ausweitung der Prüfungen in Auftrag gegeben. Messungen sollten in einem optimal gereinigten Fahrzeug vorgenommen werdden. Das für die ungleichmäßige Schimmelpilzfreisetzung in der Abfallwirtschaft optimal geeigneten Messverfahrens der Korrelierten Partikelzählung (KPZ), das die 1-Minuten-Verläufe der Schimmelpilz-Konzentrationen aufzeichnet, sollte dabei zum Einsatz kommen https://www.schimmelpilz-messungen.de/korrelierte-partikelzaehlung/.

Schimmelpilz-Messung im Fahrerhaus im November 2020

Die Ergebnisse kann man wie folgt zusammengefassen: Als Durchschnittsbelastung und Messergebnis für die Restabfallsammlung bei den jüngsten Messungen können 1,4 x 104 KBE/m3 angegeben werden. Das bei der orientierenden Beprobung dieses Fahrzeugs im September des Jahres erzielte Messergebnis (7,6 x 104 KBE/m3) wurde sehr deutlich unterschritten. Allerdings fiel die Zahl der entleerten Tonnen (Tonnenentleerungsfrequenz / TEF) mit 1-2 Behältern / min auch nicht besonders hoch aus.

Schimmelpilze im Fahrerhaus

Schimmelpilze im Fahrerhaus

Abb. 1: Verlauf der Schimmelpilze im Fahrerhaus beim Schimmeltest mit der Korrelierten Partikelzählung

Die Angabe einer mittleren Schimmelpilzkonzentration bei der Bioabfallsammlung an diesem Tag ist nicht möglich, weil die Messbedingungen dies an dem Tag nicht hergaben. Ein der Restabfallsammlung entsprechendes Niveau beim Schimmeltest kann man aufgrund der ähnlichen Partikelkonzentrationsniveaus und -verläufe aber befugt unterstellen. Die (Maximal-) Partikel- und Schimmelpilzbelastungen (mit einem Impaktor gemessen) waren jedenfalls bei beiden Sammeltouren vergleichbar.

Schimmelpilze im Fahrerhaus

Schimmelpilze im Fahrerhaus

Abb. 2: Verlauf der Feinstaub-Partikel im Fahrerhaus beim Schimmeltest mit der Korrelierten Partikelzählung

Die Messergebnisse vom November 2020 belegen, dass es bei der Abfallsammlung nahezu ständig und anscheinend unvermeidbar zu Schimmelpilzimmissionen in das Führerhaus kommt. Es ist nicht zu erwarten, dass man durch schlichtes Hochregeln der Lüftung eine deutliche Verbesserung der hygienischen Situation erreicht. Als wesentliche Eintrittspfade der Schimmelpilzsporen in das Führerhaus werden Defizite in der Abdichtung der Fahrerkabine gegen den Motorraum vermutet.

3. Hygienische Bewertung der Befunde

Technischer Kontrollwert der TRBA 214

Die hygienische Situation im Fahrerhaus von Abfallsammelfahrzeugen werden bewertet wie folgt: Die TRBA 214 gilt zwar definitionsgemäß nicht für die Abfallsammlung, aufgrund bestehender Analogien kann der Technische Kontrollwert (TKW) dieser TRBA nach Auffassung des Unterzeichners aber in Führerhäusern von Müllsammelfahrzeugen grundsätzlich angewendet werden. Man kann davon ausgehen, dass der TKW der TRBA 214 als Schichtmittelwert bei ungünstigen Konstellationen dauerhaft überschritten wird, beispielsweise wenn ständig eng beieinander stehende Behälter und über das Fahrzeugheck anströmende turbulenzarme Winde bei zugleich trockener Witterung zusammenfallen. Aufgrund der vermuteten Eintrittspfade der Schimmelpilzsporen in das Fahrerhaus (Defizite in der Abdichtung der Kabine gegen dem Motorraum) sind praktikable und erfolgversprechende Empfehlungen zur sicheren Vermeidung gravierenderer Pilzsporen-Immissionen während der Abfallsammlung an dieser Stelle nicht möglich.

Anforderungen an die Hygiene im Fahrerhaus

Der TKW der TRBA 214 gilt definitionsgemäß ausschließlich für technisch belüftete Arbeitsplätze, an denen es durch das Arbeitsverfahren bedingt zu einem Kontakt mit biologischen Arbeitsstoffen kommen kann. An die Hygiene z.B. in Umkleideräumen sind höhere Anforderungen gestellt. Das Minimierungsgebot ist dort zu beachten. Da man in Umkleidebereichen keine Nahrung zu sich nimmt und dort normalerweise keine Lebensmittel aufbewahrt, sind an diese Räumlichkeiten nicht dieselben (hohen) hygienischen Anforderungen zu stellen wie z.B. an Pausenräume.

Sobald in Innenräumen, die zu Abfallbehandlungsanlagen gehören, Lebensmittel aufbewahrt werden und dort auch gegessen und getrunken wird, sollte ein deutlich höherer Hygienestandard als der TKW der TRBA 214 gelten. Die Schimmelpilz-Konzentrationen in der Innenraumluft sollten z.B. in ausgewiesenen Pausenräumen möglichst dem jahresmittleren Außenluftniveau entsprechen. In Fahrerhäusern von Abfallsammelfahrzeugen sollte dieser Hygienestandard zumindest angestrebt werden, wenn dort Lebensmittel aufbewahrt und Zwischenmahlzeiten zu sich genommen werden. Für den Nahrungsmittelkonsum im Müllsammelfahrzeug kann die Empfehlung ausgesprochen werden, dass dieser nur nach entsprechender Querbelüftung des Führerhauses im gering belasteten Fahrzeugumfeld erfolgen sollte.

4. Maßnahmen gegen Schimmelpilze im Fahrerhaus

Anhand der Messdaten, die von bisherigen Messungen dieser Art vorliegen, lässt sich die folgende Prognose ausgeben: Die über die Dauer einer Müllsammeltour gemittelte Arbeitsplatzbelastung in einem Abfallsammelfahrzeug heute üblicher Bauart bei den heute üblichen und erwartbaren Tonnenentleerungsfrequenzen je nach den gerade vorherrschenden Witterungs- bzw. Windbedingungen irgendwo zwischen 1 x 104 und 1 x 105 KBE/m3 liegen wird.

Schimmelpilze im Fahrerhaus

Schimmelpilze im Fahrerhaus

Tab 1: Messwerte von Schimmelpilzen im Fahrerhaus beim Schimmeltest

Es wird empfohlen, das Gespräch mit Herstellern von Müllsammelfahrzeugen zu suchen und folgendes prüfen zu lassen: Welche Möglichkeiten gibt es es zur besseren Abschottung des Führerhauses gegen Bioaerosole? Da Mitarbeiter in im Fahrerhaus ihres Sammelfahrzeugs im Regelfall Lebensmittel mitführen und arbeitstäglich konsumieren, sollte vom Arbeitgeber bis auf weiteres die Betriebsanweisung ausgegeben werden, im Fahrzeug nur nach entsprechender Querbelüftung des Führerhauses und in einem möglichst gering belasteten Fahrzeugumfeld, d.h. ohne gleichzeitige Tonnenleerung zu essen und Nahrungsmittel im Führerhaus grundsätzlich staubsicher aufzubewahren. Überdies sollte man das Fahrerhaus in möglichst kurzen Zeitintervallen einer gewissenhaften Reinigung unterziehen.

5. Zusammenfassung

Aus den Feststellungen unserer Emissions- und Immissionsmessungen an und in Abfallsammelfahrzeugen lässt sich schlussfolgern, dass

  1. a) die momentanen Schimmelpilz-Belastungen / Immissionen im Fahrerhaus im laufenden Müllsammelbetrieb (d.h. nur der Fahrer ist an Bord) mit der Höhe der Schimmelpilzfreisetzung am Fahrzeugheck verbunden und damit von äußerst vielen Faktoren abhängig sind

und

  1. b) sich die in dem Fahrerhaus eines Abfallsammelfahrzeugs beim Schimmeltest gemessenen Schimmelpilzbelastungen nicht ohne weiteres auf andere Müllsammelfahrzeuge und andere Umgebungsbedingungen (klimatisch, organisatorisch) übertragen lassen,

und

  1. c) sich die Höhe der mikrobiellen Arbeitsplatzbelastung in diesem Tätigkeitsbereich der Abfallwirtschaft nicht ohne weiteres anhand der technischen und arbeitsorganisatorischen Randbedingungen einschätzen lässt, sondern diese nur anhand konkreter messtechnischer Überprüfungen festgestellt werden kann.

Anmerkung:

Der Autor ist bei der IHK Hannover Öffentlich bestellt und vereidigt als Sachverständiger für Schimmelpilze und Feuchtigkeit in Innenräumen. Dr. Thomas Missel ist Mikrobiologe und hat am Institut für Tierhygiene der Tierärztlichen Hochschule Hannover promoviert. Er ist seit 1998 als Gutachter im Fachbereich Hygiene nicht nur in Hannover und Niedersachsen, sondern deutschlandweit tätig.

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